China – erste Eindrücke

China – erste Eindrücke

Am 1. September sind wir von Kasachstan aus nach China eingereist. Seitdem wundern wir uns jeden Tag, dass wir tatsächlich mit dem Fahrrad hierher gefahren sind. Nicht nur weil China recht weit weg ist, von Süddeutschland aus gesehen, sondern weil wir mit dem Grenzübertritt die Region Zentralasien mit den Stanstaaten Usbekistan, Tadschikistan, Kirgistan und Kasachstan, in denen wir jetzt drei Monate unterwegs waren, verlassen haben. China ist im Vergleich dazu nicht nur ein neues Land, sondern eine ganz andere Welt. Und wir sind Fremdkörper in dieser Welt.

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Wir merken, dass jeweils beim Eingewöhnen in ein neues Land wir uns neu einstellen müssen auf Dutzende, vielleicht eher Hunderte neue Bedingungen. Wir sind unterdessen so sehr daran gewöhnt uns auf Neues einzustellen, dass wir schon nach wenigen Tagen nicht mehr merken, was alles exotisch und anders ist als bisher. Vieles bleibt befremdlich, aber manches ist einfach in unseren Alltag so sehr schon bald integriert, dass wir es nicht mehr bewusst als befremdlich wahrnehmen. Auch deswegen wollen wir Euch mal ein paar Sachen aufzählen, die uns in den ersten Tagen hier in China aufgefallen sind.

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Wir sind wieder Analphabeten. Außer Zahlen können wir rein gar nichts lesen, nicht auf Straßenschildern, nicht auf Gebäuden, nicht auf Packungen… Ah, das hat uns sofort angesprochen und diese Sprache verstehen wir nach drei Monaten Stanstaaten sehr gut: STOP HUNGER!

Wir fahren über die Grenze und müssen unsere Uhr zwei Stunden voraus stellen. Es wird jetzt erst gegen 8 Uhr morgens hell und die Sonne geht erst nach 22 Uhr unter. Warum haben wir mit einem Mal zwei Stunden übersprungen? In ganz China gilt die Pekinger Normalzeitzone. Das bedeutet, dass im äußersten Westen des Landes dieselbe Zeit gilt, die auch in Peking dem Sonnenstand nach sinnvoll ist. Allerdings ist China so groß, dass das für die Region, in der wir uns jetzt befinden, nicht besonders sinnvoll ist. Folge davon: der Sonnenstand und die Zeit passen nicht wirklich gut zueinander hier. Die Chinesen hier haben sich damit arrangiert, und so beginnt das Leben morgens erst um 8 Uhr, vorher sind die Straßen leer. Abends wird einfach länger wach geblieben und erst so gegen 22 Uhr Abendessen anvisiert. Imke hat bei unserem ersten Hotelaufenthalt auf das Frühstück, das nach Pekingzeit ab 7 Uhr, hier aber eine Stunde vor Sonnenaufgang serviert wurde, dankend verzichtet.

Uns erscheint das Leben nach der Pekingzeit nach den Eindrücken der ersten Tage ein recht gutes Beispiel für den rigorosen Zentralismus, der hier im Land teilweise betrieben wird. Besonders betroffen sind davon die beiden westlichen Provinzen, Tibet und die Autonome Region Xinjiang, in der wir uns gerade aufhalten.

Imke sucht noch das richtige Getränk zu ihrem aktuellen Beziehungsstatus. Aber was steht da wohl auf der Verpackung? Ein Getränk für rosaglückliche Beziehung und ein Getränk für krisengeschüttelte "Wir packen das gemeinsam"-Beziehung? Sicher ist nur eines: Beide haben 0 Kalorien.
Imke sucht noch das richtige Getränk zu ihrem aktuellen Beziehungsstatus. Aber was steht da wohl auf der Verpackung? Ein Getränk für rosaglückliche Beziehung und ein Getränk für krisengeschüttelte „Wir packen das gemeinsam“-Beziehung? Sicher ist nur eines: Beide haben 0 Kalorien.

In den Stanstaaten hatten wir uns an das kyrillische Alphabet gewöhnt und konnten die wichtigsten Angelegenheiten auch auf Russisch regeln. Hier in China ist vom ersten Schritt an nichts mehr verständlich: Staßenwegweiser, Aufschriften von Verpackungen in Supermärkten, Speisekarten, Warnhinweise, Beschriftungen von Gebäuden – wir müssen raten, sind auf Bilder angewiesen, müssen alles mit Landkarten abgleichen oder jemanden fragen. Aber nein, jemanden fragen geht auch nicht, denn hier spricht niemand Englisch. Das hat zur Folge, dass wir mit wirklich niemand sprechen können, denn bisher beschränkt sich unser Chinesisch auf „Guten Tag“, „Deutschland“, „Ja“, „Nein“, „Danke“, „Auf Wiedersehen“ und „Wasser“ (Shui!). Und selbst diese sieben Worte sprechen wir im besten Fall beim dritten Versuch so aus, dass unser Gegenüber ein Verstehen andeutet – vielleicht auch nur aus Höflichkeit. Da auch nichts in Englisch angeschrieben ist, wozu auch, hier kommen normalerweise keine Touristen vorbei, sind wir jetzt plötzlich kommunikationstechnisch ins vorsprachliche Kleinkindalter zurückkatapultiert. Wir verständigen uns mit Gesten und viel weniger und viel erfolgloser als gedacht mit dem Google Translator vom Smartphone. Besonders letzterer versagt meistens. Er führt oft nur zur weiterer Ratlosigkeit und Belustigung auf beiden Seiten. Wir haben fast komplett aufgehört ihn zu benutzen außer es handelt sich um ganz einfache Worte wie „Wasser“, „heute“, „viel“.

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Speisekarte für uns unlesbar, bestellen wir einfach, was der Nachbartisch hat. Dann die Aufgabe Spaghetti mit Stäbchen essen: erledigt! Stolz!

Die Chinesen können ihrerseits gar nicht begreifen, dass jemand nicht Chinesisch sprechen kann. Daraus ergeben sich sehr abstruse Situationen. Meist reden sie so beharrlich auf uns in ihrer Sprache ein, versuchen es mit lauterer Stimme oder kommen mit ihrem Gesicht ganz nah an unseres, dass wir unsere Seite des Gesprächs einfach nach Vermutung auf Deutsch weiterführen. Das muss sich von außen lustig anhören, ist aber ein Zeichen von fortgeschrittener Ratlosigkeit. Wie sollen wir anders klar machen, dass wir kein Chinesisch sprechen oder verstehen? Erst nach einigen Minuten Gespräch geht unserem Gegenüber dann auf, dass irgendwie eine Sprachbarriere bestehen muss. Dann spätestens wird es interessant. Nicht nur einmal kam es bisher vor, dass unser Gegenüber dann auf die Idee kam, uns seine Mitteilung aufzuschreiben – auf Chinesisch! Wir glauben dann an den Gesichtern ablesen zu können, was dazu gedacht wird: „Natürlich weiß ich, dass ihr Langnasen keine Chinesen seid, aber es kann doch nicht sein, dass ihr kein Chinesisch versteht, das kann doch jedes Kind. Na vielleicht könnt ihr wenigstens lesen…“ Und so bleibt manches Gespräch auf immer unverständlich und endet mit einem lächelnden Schulterzucken.

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Speisekarte nicht lesbar? Kein Nachbartisch zum Draufzeigen? Ganz einfach in die Küche gehen und auf die Töpfe zeigen! Die Geste, wie man Nudeln macht, beherrschen wir unterdessen so perfekt, dass die Leute auf der Straße uns zur nächsten Garküche geleiten.

Trotzdem sind die meisten Menschen hier wirklich freundlich zu uns und sehr hilfsbereit. Das ist im Vergleich zu Kirgistan und Kasachstan, die uns in dieser Hinsicht etwas frustriert hatten, wieder besser geworden. Auch die Sprache der Straße gefällt uns sehr gut. Nach drei Monaten katastrophalem Straßenbelag bewegen wir uns jetzt auf Flüsterasphalt. Das ist wie ein Fünfsterne-Spa für die Ohren im Vergleich zu den Stanstaaten. Und dabei sagt man von China es sei so laut. Und der Rollwiderstand im Vergleich zu den Schotterpisten Zentralasiens – wir merkten erst in den letzten Tagen, wie leicht sich doch 100 oder mehr Kilometer am Tag fahren, wenn man auf Asphalt fährt. Außerdem fahren die Chinesen richtig rücksichtsvoll und vor allem langsamer als die Kirgisen! Was für ein Genuss, hier auf einer befahrenen Schnellstraße unterwegs zu sein – so erholsam wie ein Waldspaziergang!

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Gerade dachten wir noch, wir würden in diesem Hotel schlafen können und die Hotelangestellten machen noch Erinnerungsfotos. Wenige Minuten danach kam das SWAT-Team der Polizei und die stundenlange Prozedur Touristenbearbeiten begann.

Was kann uns stoppen?

Was kann uns noch stoppen? Seit Monaten, vielleicht seit dem ganzen vergangenen Jahr, liegen zum ersten Mal keine ernstzunehmenden Berge auf unserem Weg, zumindest die ersten 400 Kilometer nicht (ab morgen kommen wieder die 3000er Pässe der letzten Tien-Shan-Ausläufer). Der Asphalt rollt, der Wind ist gnädig, die Temperaturen stimmen. Wir machen China in weniger als drei Monaten, dachten wir angesichts der Geschwindigkeit, die wir täglich hinlegen und der Kilometer, die wir fressen. Aber wir haben nicht damit gerechnet, dass uns etwas ganz anderes erheblich bremsen könnte. Sogar grundsätzlich bedrohlich für unser Vorankommen hier in China könnte es werden: Die absurde Totalüberwachung durch den chinesischen Staat.

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Schon lange haben wir uns darauf gefreut: die guten eingeschweißten Hühnerfüße!

Wir befinden uns in der Provinz Xinjiang, die erst spät zum Territorium von China dazu kam. 1949 wurde die Provinz eingegliedert und hat seither einen enormen Wandel durchgemacht. Ähnlich Tibet, leben hier die einheimischen Ethnien unter einem starken Anpassungs- und Überwachungsdruck. Die Uiguren, die hier ursprünglich die Bevölkerungsmehrheit stellten, werden zunehmend von angesiedelten Han-Chinesen verdrängt. Dabei sind es vor allem letzte, die vom Reichtum der Bodenschätze der Region profitieren. Die Uiguren sind Muslime. Der chinesische Staat unterdrückt allerdings die Ausübung von Religion grundsätzlich. Gleichzeitig fühlen sich die Uiguren von der Regierung in der Bewahrung ihrer Kultur behindert. All dies führt schon seit längerer Zeit zu Konflikten und eskalierte in den letzten Jahren in Gewalt. Als es in den letzten Jahren zu Anschlägen in der Region kam, die mit den Uiguren in Verbindung gebracht werden konnten, reagierte die Regierung in Peking mit Härte und zusätzlicher Repression. China versucht die Unruhe durch totale Überwachung in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig aber verordnet Peking Maßnahmen, die in ihrer Rigidität zu neuer Eskalation führen müssen. Den Muslimen wurde zum Beispiel vor kurzem verboten ihre Kinder „Mohammed“ als Vornamen zu geben und sie in den Koranunterricht zu schicken.

Wir spüren vor allem die Maßnahmen der unvorstellbaren Überwachung. In den größeren Städten befindet sich alle 200 Meter ein Polizeibunker, umzäunt und gesichert. An wirklich jeder Kreuzung steht ein Polizeiwagen mit Blaulicht, davor drei Polizisten in einer Art „Wagenburg-Formation“, ganz in schwarz, in Riot-Gear: kugelsichere Westen, Helme, Schutzschilde. Der in der Mitte ein Schnellfeuergewehr im Anschlag, rechts und links von ihm zwei mit etwas, das aussieht wie eine zwei Meter lange Kombination aus Schlagstock, Elektroschocker und Lanze.

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Sehen immer wie harmlose Legohäuschen aus, wir haben sie aber schon fürchten gelernt. Alle 200 Meter ein Polizeibunker.

Uns fällt auf, dass nicht nur öffentliche Gebäude und Schulen, sondern auch die Tankstellen abgesperrt sind wie Hochsicherheitsanlagen. Umzäunung, Stacheldraht, davor ein Polizeiposten, Sicherheitskontrolle. Wenn jemand tanken will, müssen alle Insassen aussteigen und vor der Tankstelle warten. Das Auto wird durchsucht, der Fahrer wird kontrolliert und muss sich in eine Liste eintragen. Erst dann darf er zur Zapfsäule vorfahren.

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Wir durften nicht mit unseren Rädern durch die Sicherheitskontrolle an der Tanke, geschweige denn unsere Literflasche Benzin füllen – wir könnten ja eine Bombe daraus basteln. Aber Foto mit den exotischen Touristen muss auf jeden Fall sein.

Für uns ist das Fahren durch die Städte  und Dörfer begleitet von ambivalenten Gefühlen: Einerseits sind wir neugierig und wissbegierig, alles zu beobachten und über das Leben in China zu lernen. Manchmal kommen wir uns vor wie in einem Computerspiel. Meistens ist die Stimmung aber auch einfach nur bedrückend und ein wenig angsteinflößend.

Vor jedem kleinen Dorf ist ein Polizeicheckpoint. Schade, dass wir keine Fotos davon machen dürfen. Das sieht so aus: Wie in einer Mautstelle werden alle Fahrzeuge mit Betonblöcken in Fahrspuren getrennt. Jedes Auto muss anhalten und die Insassen bis auf den Fahrer müssen aussteigen. Ganze Busse entleeren sich und die Insassen gehen durch Personenscanner und müssen ihren elektronischen Ausweis an einer Barriere über einen Scanner ziehen, damit das Drehkreuz sie durchlässt. Die Autos werden dann durchsucht und Koffer der Reisenden wie am Flughafen durchleuchtet. Dies geschieht an allen Einfallstraßen und nicht nur vor Städten. Wir sind leider immer ein Sonderfall und im System eigentlich nicht vorgesehen. Das ist schlecht für uns, denn wenn ein chinesischer Polizeibeamter nicht klare Vorschriften hat, wie er mit uns zu verfahren hat, bekommt er Angst. Unterdessen verstehen wir gut, warum er zurecht Angst bekommt, denn diese Angst sehen wir in vielen Augen von Chinesen, die es plötzlich mit uns zu tun haben. Die Angst einen Fehler zu begehen, der für sie lebensverändernde Bestrafung durch die Regierung zur Folge haben könnte. Angst verantwortlich gemacht zu werden, dass nicht vorschriftsgemäß verfahren wurde mit den potentiell die öffentliche Ordnung und Staatssicherheit gefährdenden Touristen, schlimmer noch Individualtouristen!

Was tut der Polizist also, der nicht weiß was tun und Angst hat? Er verständigt seinen Vorgesetzten. Er schildert den Sachverhalt und wartet. Wir warten. Dann kommt der Vorgesetzte, stellt uns scharf Fragen. Wir lächeln und reichen unsere Pässe, denn natürlich verstehen wir rein gar nichts vom Gesagten. Auch er wird uns nicht verstehen – kein Polizist den wir bisher gesprochen haben – und es waren leider innerhalb einer Woche schon sehr viele – konnte English. Dennoch wird dann meistens ein Polizeidolmetscher angefordert. Wir warten, zeigen den Pass mindestens noch drei weiteren Beamten, die sich aus purer Langeweile die Langnasen ansehen wollen und sind dabei umringt von schwerbewaffneten Splitterschutzwestenträgern. Die allerdings sind das Fußvolk und werden von niemandem beachtet. Ohne mit den chinesischen Abzeichen vertraut zu sein wissen wir unterdessen: der Dickste ist immer der Chef.

Dann kommt der Dolmetscher. Wir freuen uns, gleich kann es also weitergehen – denken wir. Der Dolmetscher kann aber auch kein Englisch, er weiß es nur nicht. Wir versuchen angestrengt zu enträtseln, was er uns sagt, können aber aus dem Gesagten keinen Sinn erpuzzeln. Das stellt uns wiederum vor eine schwierige Aufgabe: Wir sollten die Jungs möglich bei Laune halten und das funktioniert sicher ganz schlecht, wenn wir erstmal den Dolmetscher mit der Tatsache konfrontieren, dass er ungeeignet für seinen Job ist. Also versuchen wir zu erraten, was gemeint sein könnte. Das ist zwar ganz unmöglich, praktisch aber nicht schwer zu lösen. Wir sagen einfach irgendetwas auf Englisch, denn wir können uns sicher sein, dass auch der Dolmetscher uns wiederum nicht versteht. Da er aber vor seinem Vorgesetzten das Gesicht nicht verlieren möchte übersetzt er uns in astreines Chinesisch. Der Vorgesetzte nickt, sagt wieder etwas, der Dolmetscher übersetzt, wir verstehen rein gar nichts, sagen höflich lächeln wieder völligen Quatsch usw. usf. etc. pp. Entscheidend bei dieser Unterhaltung ist, zu erspüren, wann der Pass überreicht werden muss – und das muss er sehr oft. In der Regel scheint jeder Polizist unsere Pässe durchschnittlich viermal akribisch durchschauen zu wollen. Zwei bis dreimal pro Kontakt wird er dann abfotografiert mit dem Handy oder, wenn wir unterdessen auf die Polizeiwache eskortiert wurden, mit dem Kopierer bearbeitet. Die dort Wachhabenden sind dann meist so nervös über den Touristenkontakt, dass wir einmal in letzter Sekunde den Pass aus dem Eingabeschlitz des Druckers reißen mussten, in den der Beamte unseren Pass gesteckt hat.

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Jede Tankstelle ist gesichert wie ein Munitionsdepot.

Unterdessen sind eineinhalb Stunden vergangen und es gibt noch kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Denn der Vorgesetzte hat natürlich auch keine Ahnung, wie er mit uns vorschriftsmäßig zu verfahren hat. Es werden also, wie im Tierreich Übersprungshandlungen und Ersatzaktivitäten entfaltet. Wir werden zum Tee eingeladen, Gebäck wird angeboten, übel süße chinesische Erfrischungsgetränke aus dem nächsten Laden überreicht. Wenn die Stimmung etwas autoritärer sein soll, dann werden wir nebenbei auch schon mal belehrt, dass wir uns alle 24 Stunden an einem Checkpoint zu registrieren haben. Das ist Vorschrift für Touristen. Uns wird gedroht, dass unsere Reise sonst beendet werden könnte. Woher wir das erfahren? – die chinesische Polizei scheint eine Art Google Übersetzer auf den Smartphones zu haben, die chinesische Gesetzestexte in ganz annehmbares Englisch übersetzten. Google Translator ist natürlich von der Zensur gesperrt in China. Wäre vielleicht für uns hilfreich, um ihnen zu sagen, dass wir uns täglich dreimal an Checkpoints registrieren – aber da lassen wir das Smartphone lieber stecken. Es würde verraten, dass wir eine VPN installiert hätten, um die Zensur zu umgehen. Also reden wir mit dem Dolmetscher, sagen wir, unsere Gefühle der Absurdität und der endenden Geduld unterdrückend, dass wir uns nicht nur alle 24 Stunden, sondern mehrmals täglich registrieren lassen. Da wir ja den ganzen Tag auf der Straße unterwegs seien, können wir ja gar nicht anders, er könne das ja nachprüfen, wir nennen ihm die Dörfer, durch die wir heute schon an Checkpoints kontrolliert wurden. Er versteht uns nicht, schließt aus der langen Rede, dass wir widerspenstig sind und wiederholt jetzt in schärferem Tonfall, dass wir uns alle 24 Stunden registrieren müssen, weil das das chinesische Gesetz vorschreibt. Er belehrt uns – alles mithilfe seines Smartphones, dass wir sonst ausgewiesen werden könnten. Interessanterweise scheinen seine Vorgesetzten nicht zu merken, dass er sich mit uns nur über das Smartphone verständlich machen kann. Die drei Maschinengewehrtypen und der dicke Chef sind auch gelangweilt, weil die Szene gesprächslastig wird und die Handlung verloren geht. Also wirft der Chef etwas ein, sich an uns wendend. Unterdessen geschult in dieser Situation, wissen wir, dass es jetzt wieder an der Zeit ist, den Pass freundlich lächelnd zu überreichen. Wir schlagen unterdessen auch gleich das Chinavisum auf – denn dort finden die Augen des Chefs chinesische Schriftzeichen, an denen sie sich festhalten können. Allerdings wittert er – auch schon uns nicht mehr überraschend – vermutlich, dass wir damit etwas anderes im Pass verbergen wollen und blättert wild und gleichzeitig akribisch den ganzen 36-seitigen Reisepass durch. Er ist leer, bis auf den kasachischen Ausreisestempel und das USA-Visum. Aha, das USA-Visum, es wird gedreht, gewendet, das Lichtbild mit unserem gegenwärtigen verschwitzten, sonnengegerbten, müden Gesicht verglichen, wieder gewendet und weil nichts verstanden wird, abfotografiert. Das Chinavisum ist in unserem Drittpass, den wir nach dem USA-Aufenthalt zu Hause gelassen haben. Was würde wohl geschehen, wenn der Chief hier erfahren würde, dass in den Tiefen unserer Satteltaschen jeweils zwei weitere Pässe liegen mit jeder Menge Stempeln und Visa. Wir denken nicht dran und wollen es nie, nie erfahren.

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Selten hat sich jemand so über unsere Dankeskarte gefreut. Er konnte es kaum fassen, dass er die wirklich behalten darf.

Und jetzt kommt, was in einer Erzählung von Kafka hätte beschrieben werden können – das Dilemma des Vorgesetzten, der zurate gezogen wurde und auch nicht weiter weiß, das aber nicht zeigen darf, denn sonst wäre er ja nicht legitim Vorgesetzter. Was tut ein Staatsdiener in einem rigid hierarchischen System in diesem Fall? Er legt die vermuteten Vorschriften so eng wie möglich aus oder tut so, als wäre nichts gewesen. Der Unterschied zwischen den beiden Möglichkeiten ist für uns extrem groß. Es kam tatsächlich schon mal vor, dass wir nach über zwei Stunden Aufenthalt auf der Polizeiwache einfach die Pässe (unterdessen dreimal kopiert) einfach wieder in die Hand gedrückt bekamen und zurück auf die Straße geschickt wurden. Unterdessen ist natürlich zu viel Zeit vergangen, als dass wir unser Tagesziel noch vor Einbruch der Dämmerung erreichen könnten und wir sind etwas frustriert, jedoch glücklich wieder frei auf der Landstraße in den Abend zu fahren.

Das allerdings kommt nicht häufig vor. Eher scheint es üblich zu sein, dass sich ein verunsicherter chinesischer Beamter für die rigide Handhabung entscheidet. Dann wird, wieder mittels Dolmetscher (s.o.) gefragt, wo wir gestern übernachtet hätten. „Hinter dem Erdhaufen der kleinen Brücke der Autobahnbaustelle, ein super Platz, weil sichtgeschützt, eben und sicher, wenn auch wenig romantisch.“

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Unbürokratisch und nur scheinbar unromantisch: idealer, unbehelligter Schlafplatz an der Autobahnbaustelle. Hierfür ist in China keine Registrierung vorgesehen.

Das wäre die wahrheitsgemäße Antwort gewesen. Das wird natürlich kein Mensch, der einigermaßen bei Sinnen ist, einem chinesischen Beamten antworten. Daher unsere Antwort: „Im Hotel“. Natürlich wussten wir, dass jetzt nach Ort und Name des Hotels gefragt würde. Allerdings würde auch das noch einige Minuten dauern, wenn wir darauf bestünden, nur die Fragen zu beantworten, die wir sinngemäß vom Dolmetscher verstehen. Wir wissen aber auch schon, was die chinesische Frage des Vorgesetzten jetzt will und antworten gleich darauf. Was wiederum dazu führt, dass er zwischenzeitlich denkt, wir verstünden doch Chinesisch und in der Folge weiter ohne Dolmetscher auf Chinesisch auf uns einredet. Die Antwort von uns muss allerdings wieder übersetzt werden und so verschieben sich die Zeitebenen des Gesprächs, während wir immer voraus sind, ist der Chef mit seinen Fragen auf unserer Höhe, mit den Antworten, die er aber über den Dolmetscher erhält, immer zwei Gesprächsballwechsel hinterher. Das macht die Sache aber interessanterweise gar nicht absurder und unverständlicher, zeigt aber, auf wie enorme Ausmaße das Durcheinander zu diesem Zeitpunkt schon angewachsen ist. Unsere Antwort lautet nun natürlich: Wir wissen es nicht, weder den Ort, noch den Name des Hotels. Wir können ja kein Chinesisch. Da alles nur auf Chinesisch angeschrieben ist, sind wir in diesem Fall fein raus. Oder eben auch nicht. Denn zu diesem Zeitpunkt, wir befinden uns seit weit über zwei Stunden in diesem Paralleluniversum, würden wir auch ein Geständnis unterschreiben, um endlich wieder Ruhe auf der Landstraße zu finden. Jetzt wäre gleich wieder der Zeitpunkt. Immer dann, wenn das „Gespräch“ in eine Sackgasse geraten war, kam eine Gesetzesbelehrung, oder diesmal wurde wieder unser Pass verlangt. Ausführliches Blättern. Variante: Chief erhebt sich und geht mit den Pässen nach draußen. Als müsse er mit ihnen alleine sein, um den Fall zu lösen. Wir lehnen uns zurück. Sammeln Kraft, sehen die Sonne ihre Bahn ziehen, entfernen schwarze Ränder unter den Fingernägeln. Interessant auch, was machen die Polizeibeamten in den panzerverglasten Bunkern wirklich, wenn sie nicht Touristen verarbeiten? Wir beobachten, registrieren Topfpflanzen und versuchen uns an Typisierungen. Der Chief kehrt zurück. Er hat eine Entscheidung getroffen. Wir erwarten demütig das Urteil und nehmen eine virtuelle Muskelrelaxanztablette.

Er stellte uns eine Frage, wir hören den fragenden Ton und wissen, jetzt kommt etwas ganz Gewieftes. Der Dolmetscher übersetzt, wir verstehen todaynight. Naklar, diese Frage musste irgendwann kommen im Überwachungssystem. Wo wir heute Nacht schlafen? „Wir wissen es noch nicht, da hier ja alles eingezäuntes Kulturland ist, hat sich das schon in den letzten Tages etwas schwierig gestaltet. Wir werden wieder nach bergigem Terrain Ausschau halten. Es sollte zugänglich für uns sein, eine ebene Fläche fürs Zelt bieten, aber unbedingt sichtgeschützt von der Straße sein. Auf Google Maps (in China geblockt) hab ich in den Satellitenansicht heute morgen, als wir Internet hatten, gesehen, dass in 40 Kilometer etwas kommt, aber da es jetzt schon wieder gleich 17 Uhr ist und wir hier sicher noch länger sitzen, wird das sicher nichts. Wir werden schauen wie weit wir noch kommen und dann improvisieren.“ Meine wirkliche Antwort lautete: „Im Hotel“.

Ich wusste, dass ich damit in die Falle gegangen war – aber eine andere Antwort hätte zu noch schlimmeren Konsequenzen geführt. Wie aus der Pistole geschossen, ohne auf den verdutzten Dolmetscher zu warten redete der Chief. Jetzt wieder ganz in seinem inneren Gleichgewicht. Der Dolmetscher übersetzte, das Verstehen war schwierig und ich überspringe hier mehrere Minuten hin und her: Wir würden zum Hotel eskortiert, denn – und das wussten wir aus leidvoller Erfahrung schon – nur wenige Hotels in China dürfen ausländische Touristen beherbergen. Wir sahen schön öfter die bare Panik in den Augen der Rezeptionistinnen in Yining, als wir versuchten auf eigene Faust eine Unterkunft zu finden. Wieder die Angst, durch einen Fehler sich den Zorn der Verwaltung zuzuziehen und den mühsam erstrittenen Platz auf der kläglichen Karriereleiter als Hotelangestellte zu verwirken. Schlimmer als alles, was wir an Repression sahen, machten uns diese Panikreaktionen, die wir unisono beobachten konnten, das Ausmaß des Drucks oder der Unterdrückung hier in China klar. Nach einer Odyssee durch die Stadt konnten wir erst drei Stunden später ins teuerste Hotel damals in Yining einchecken. Ja, wir wussten, dass Hotelsuche nicht einfach ist. Darum schätzten wir ja so sehr die unromantischen Erdhügel, die unser Zelt so unbürokratisch behüteten.

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Der Manager des International Hotel in Yining wollte unbedingt ein Foto mit uns haben – auch wenn wir nicht in seinem Haus genächtigt hatten.

Sie würden uns zum Hotel eskortieren. Nein doch nicht eskortieren, das war wieder ein Übersetzungsproblem. Wir sollten mit dem Taxi dahin fahren. Das sei im übernächsten Dorf, 20 Kilometer von hier. Jetzt erlaubte ich mir einen kurze Pause für meine Beherrschtheit – ich würde nicht im Taxi fahren, auf keinen Fall, nur mit dem Fahrrad – und bereute sofort. Der Ton wechselte plötzlich ins Brüllen, Sondereinsatzpistolieros nahmen Habachtstellung ein und wir wurden erneut über die Gesetzeslage in China belehrt: Alle 24 Stunden auf der Polizeiwache registrieren! Nur in Hotels übernachten, die für Touristen erlaubt sind! Immer in Hotels übernachten! Alle 24 Stunden registrieren!

Ich holte Luft, zählte auf drei und zählte nochmal auf drei. OK, gut. Taxi, Hotel. Welches Hotel? Das wiederum wollten oder konnten sie uns nicht sagen. Wir wollten und konnten auch kein Taxi rufen – mit welcher Sprache auch, selbst wenn wir wüssten, wohin die Fahrt gehen sollte. Was sollen wir jetzt tun? Wir hatten uns alle im Zuge der Erhitzung des Gesprächs erhoben und nehmen jetzt ob dieser profunden Problemanalyse nochmal Platz. Imke schlägt vor, sie können uns doch mit dem Polizeiauto dahin fahren. Ich wundere mich. Steht sie auch kurz vor Kragenplatzen und möchte die Sache beschleunigen? Wir hatten uns schon länger darauf verabredet, uns in solchen Situation möglichst willenlos zu machen und auf gar keinen Fall Eigeninitiative zu entwickeln. Oder will sie nur Polizeiauto fahren? Wie sich später rausstellt das Letztere.

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Uigurisches Nan-Brot aus dem Holzofenschacht. Die für die Provinzverwaltung arbeitende junge Anwältin, die wir beim Mittagessen trafen, wollte uns das beste Brot der Stadt besorgen.

Ich verkürze hier. Der Plan der Polizei sah folgendermaßen aus: Sie würden für uns ein Auto anhalten, unsere Räder, das Gepäck und uns verstauen und den Fahrer dazu abkommandieren, uns ins Dorf mit dem Hotel zu fahren. Sie waren sich nicht ganz sicher, ob wir dort dann zur zuständigen Polizeiwache gefahren werden sollten – dann wären wir ja Mao sei Dank das Problem der anderen – oder ob wir gleich zum Hotel gefahren werden sollten. Wir hofften natürlich auf die zweite Möglichkeit, denn wir befürchteten, dass dann das Prozedere wieder von vorne beginnen würde. Die Polizisten verständigten sich länger und kamen zu unserer Überraschung zum Ergebnis, dass wir gleich zum Hotel gefahren werden sollten – wir wunderten uns, denn aus Erfahrung konnten wir schon folgern, dass es eigentlich immer den umständlicheren Weg ging. Also stellte sich der Chef an die Straße, um einen Uiguren mit Ladefläche dienstzuverpflichten. Es dauerte für einen Polizeistaat erstaunlich lange, bis ein Wagen gefunden wurde. Die Kooperationsbereitschaft der Uiguren schien hier in Xinjiang tatsächlich sehr gering zu sein. Ein Bauer wurde gezwungen, die Ladefläche, die gerade noch mit Ziegen belegt war zu räumen und alles wurde verstaut. Wir durften immerhin in der Fahrerkabine mitfahren. Es wurde uns bedeutet, dass wir auf der dortigen Polizeistation schon angekündigt seien. Das interessierte uns zwar nicht, sollte uns aber vermutlich die Illusion rauben, irgendwelche Auswege nehmen zu können. Sechs Schwerbewaffnete stellten also sicher, dass wir auch wirklich abfuhren. Der Uigure, der uns fuhr, machte die ganze Fahrt ein Gesicht, als hätte man einen Karton fauliger Eier auf seinem Beifahrersitz zerschlagen. Wir konnten ihn gut verstehen und hatten nach drei Stunden Polizeiarbeit auch ziemlich angefressene Nerven.

Naja, immerhin würde die lückenlose Polizeiüberwachung sicherstellen, dass wir jetzt zügig durch die Checkpoints kämen und dann endlich im Hotel duschen könnten – auch nicht schlecht. Aber dieser Gedanke stellte sich gleich beim Checkpoint als naiv heraus. Natürlich wurden wir angehalten, ein uigurischer Kleinlastwagenfahrer mit Fahrrädern und Touristen war im System der Checkpointpolizisten nicht vorgesehen. Und was macht ein chinesischer Polizeibeamter, wenn er nicht weiß was zu tun ist? … Er nimmt sich erstmal den Fahrer vor. Aussteigen, mit auf die Wache, Ausweiskontrolle, Diskussion, Telefonat; wir beobachteten alles aus dem Autofenster heraus, sicher, bald selbst wieder in Aktion treten zu dürfen. Der Fahrer kam zurück, eine weitere halbe Stunde war vergangen. Sein Gesichtsausdruck war noch finsterer geworden. Wortlos fuhr er ins Dorf hinein und parkte den Laster vor der Polizeistation. Er stieg aus, hielt inne, dann die erste Kontaktaufnahme zu uns: Er löste meinen Anschnallgurt mit dem Druck aufs rote Knöpfchen, sah mir resigniert in die Augen und schüttelte den Kopf. Es sollte wohl heißen: „Vergiss es, so schnell geht es hier nicht weiter.“

Wir warteten. Dann kam wieder ein beleibter Chef, diesmal gleich mit Dolmetscher. Passbesichtigung. Übersetzungsversuche, hoffnungslos. Wieder Passbeschau. Dann fährt ein Polizeijeep vor. Imke strahlt. Wir steigen ins Polizeiauto ein. Unser Gepäck und die Räder? Dortlassen! Jemand fehlt noch, wir können noch nicht losfahren. Wohin? Ich habe mein Hirn und meinen Willen erfolgreich zu einem Teigfladen meditiert. Es ist mir egal. Ich sitze auf dem Beifahrersitz, der Chef beugt sich über mich, brüllt aus dem Seitenfenster hinaus, rüber zur Polizeistation. Ich erwache aus der inneren Emigration, als Imke überraschend erfreut sagt: „Oh, guck mal“. Es steigt ein weiterer Polizist ein und nimmt hinten neben ihr Platz: Splitterschutzweste, Stahlhelm, Schnellfeuergewehr, Knie- und Ellenbogenschützer – das volle Touristenprogramm. Wohin fahren wir jetzt? Ich hätte es mir nicht ausdenken können, nur die Wirklichkeit ist so absurd: Wir fahren quer über die Dorfstraße 30 Meter bis zum Hotel, es liegt genau gegenüber der Polizeiwache. Der Ziegenlastwagen mit unseren Rädern folgt uns. Nach etwa 30 Sekunden Fahrt (20 Sekunden davon brauchten wir um einzuparken) dürfen wir aussteigen. Die Polizisten helfen uns das Gepäck vom Lastwagen abzuladen und durch die Röntgensicherheitsschleuse des Hotels zu schieben. Die Lobby des Hotels ist jetzt mit Stroh und Ziegenköttel bestreut. Der Schnellfeuergewehrmann hilft nicht, er sichert die Szene. Der Dolmetscher fragt mich zum Abschied ob ich Japanisch spreche. Ich begreife nicht. Er weist auf eine im Hintergrund stehende Gruppe schaulustiger japanischer Touristen hin. Sie winken lächelnd herüber.

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Wie geht es weiter?

Nach nur einer Woche auf der Straße in der Provinz Xinjiang können wir sicher sagen: Polizeikontrollen wie diese werden zu unseren täglichen Erfahrungen in China gehören. Xinjiang ist die größte Provinz Chinas und gilt zusammen mit der Autonomen Region Tibet zu den oft so genannten „Unruheprovinzen“. Die Bedingungen werden sich also auch in Osttibet für uns nicht verbessern. Wie gehen wir damit um? Ähnlich wie der Winter in Armenien, der Gegenwind im Iran und die Hitze in Usbekistan wird die Polizeiüberwachung als unabänderliche Naturgegebenheit zu unserer Reise in China gehören. Wir werden sie nicht ändern können und jetzt kommt es darauf an, welche Haltung wir dazu einnehmen. Bisher gelang es uns ganz gut, sie als eine Art besondere Touristenattraktion zu sehen. Wir beobachten interessiert, sind gespannt und bleiben ruhig. Uns beschäftigt dabei auch ein theoretisches Interesse an der politischen und wirtschaftlichen Lage in China. Wir müssen das ja nicht persönlich nehmen, es ist Ausdruck des Systems. Das bedeutet nicht, dass wir die Sache an sich nicht ernst nehmen. Uns ist immer bewusst, dass die Entscheidungen der Staatsmacht in China unsere Pläne jederzeit durchkreuzen können. Wir sprachen mit einem Radfahrer, dem die Weiterfahrt in Golmud in Richtung Osttibet verboten wurde. Andere durften unbehelligt weiterfahren. Es ist nicht einfach, mit dieser scheinbaren Willkür gelassen umzugehen. Wir hoffen allerdings und sind zuversichtlich, dass uns das im Hinblick auf das Große, das Ganze gut gelingt. Wie beim Winter, dem Gegenwind und der Hitze werden wir auch jetzt Wege finden. Noch scheint es ja möglich zu sein, als individuell reisender Radfahrer sich zu bewegen. Wir befürchten allerdings, und das macht uns schon etwas traurig, dass das nicht mehr lange in China möglich sein wird. Wir haben die sich ständig verschlechternden Reisebedingungen über die letzten Jahre genau beobachtet und wagen vorherzusagen, dass zumindest in den westlichen Provinzen bald nur noch Pauschalreisen in Gruppen möglich sein werden. Schade, denn die Menschen, auch die Polizisten, sind freundlich und das Land ist eine Reise wert.

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