Wir haben die Fahrräder heute aus den Kartons geholt. Das ist immer ein heikler Augenblick, denn nach der rauen Reise mit drei Flugzeugen und über die Förderbänder und durch die Hände hartgesottenen Rollfeldpersonals sehen die Kartons erbärmlich aus. Außerdem hat das amerikanische Sicherheitspersonal unsere panzertapeverklebten Kartons natürlich geöffnet, Fahrräder waren ja schon immer ein Sicherheitsrisiko! Aber den Rädern geht es den Umständen entsprechend gut und ich bin sehr erleichtert, dass nur eine der GPS-Halterungen abgebrochen ist. Speichen, Schaltung, Rahmen und Reifen sind funktionsfähig. Das ist mehr als ich erwartet hatte. Große Erleichterung.
Wir hingegen sind ziemlich derangiert, weil unsere innere Uhr immer noch Pazifiktime anzeigt und uns nachts nicht schlafen und zur unpassendsten Zeit hungrig werden lässt. Ich habe heute nacht in den zwei Stunden Schlaf mindestens eineinhalb Stunden von Essen geträumt, weil ich wohl das Essen zu den amerikanischen Zeiten vermisse. Nicht allerdings vermisse ich das amerikanische Essen. Da geht es hier doch ganz anders zu. An jeder Ecke gibt es Grillstände und Gemüseeintöpfe, herrlich für den Fahrradhungermagen.
Imke hat sich unterdessen auch schon von der marokkanischen Damenwelt beraten lassen und sich förmlich und farblich dem Land angenähert. Die Dame im Laden riet zu einem neonpinken Schal, der hier nicht auf dem Bild zu sehen ist, ihr aber natürlich hervorragend steht.
Am Ende des zweiten Tages drängt es uns schon wieder auf die Karte zu schauen und auf der Dachterasse die nächsten 400 Kilometer über den Hohen Atlas zu planen, während die Störche nebenan auf den Mauern des Königspalastes klappern und der Muezzin zum Abendgebet ruft. Der Wechsel der Kulturen ist scharf, aber die Einöde wird uns wohl erhalten bleiben, denn sind wir erstmal aus Marrakesch herausgefahren, werden wir wieder mal nicht viel Örtchen auf dem Weg liegen haben, bis wir etwa eine Woche später in Tafraoute, der Berberstadt im Antiatlas, in Reichweite der Sahara ankommen.