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Am 9. August um 5:25 Uhr wird das Flugzeug, das uns wieder heim bringt, auf dem Flughafen München landen (LH 791 von Singapur an 5:25 Uhr International Terminal 2). Dann werden wir in vier Etappen zurück nach Biberach mit dem Fahrrad fahren. Mit was sonst! Ihr könnt uns dabei begleiten mit dem Fortbewegungsmittel Eurer Wahl. Hubert Hagel und Dennis Maile haben eine tolle Planung dieses letzten, wichtigen Abschnittes unserer Reise übernommen. Wir sind Ihnen dafür sehr dankbar, denn ob wir uns in Süddeutschland ohne Hilfe noch zurechtgefunden hätten… Hier die Etappen und die Übernachtungsorte im Detail:
- Tag, 9. August 2018: Nach dem Zusammenbau der Fahrräder am Flughafen und ersten emotionalen Wiedersehensmomenten, nehmen wir ein gemeinsames Frühstück im Mövenpick Hotel München Airport (https://www.movenpick.com/de/europe/germany/munich/hotel-munich-airport/overview/) ein. Die erste Tagestour führt uns dann über 47 km zum Campingplatz am Ampersee (http://www.campingampersee.de/), beziehungsweise ins Hotel Alpenglühen (http://www.hotel-alpengluehen.de/) oder Hotel Schiller (http://www.hotel-schiller.de/de/home/), beide Hotels befinden sich ebenfalls in Olching.
- Tag, 10. August: 53 km mit Übernachtung im Hotel Goggl (http://www.hotel-goggl.de/) in Landsberg am Lech, sowie auf dem Romantik Campingplatz an gleicher Stelle (http://camping-landsberg-am-lech.de/).
- Tag, 11. August 2018: Ziel dieses Tages, nach 74 km, ist der Campingplatz Christophorus in Kirchberg an der Iller (www.camping-christophorus.de), sowie das Hotel Gasthof zum Rössle (http://www.gasthof-roessle.de/) in Altenstadt.
- Tag, 12. August 2018: Wir rollen die letzten 30 km gemütlich nach Biberach. Genügend Raum und Zeit für ein gebührendes „Willkommen zurück“, sowie für das eine oder andere Getränk in Kombination mit Gegrilltem, werden wir dort sicherlich finden.
Wir können nicht die Buchungen und Vorabreservierungen für Euch übernehmen, freuen uns jedoch über eine Nachricht von Euch, ob, und welchen Abschnitt Ihr mitradeln möchtet. Das Frühstück in München (reichhaltiges Buffet für 12 €) müssten wir vorbestellen und würden dies auch gebündelt tun, Vorschläge für alle Unterkünfte sind oben ersichtlich und sollten von Euch selbst gebucht, bzw. reserviert werden. Wir freuen uns auf das Wiedersehen mit Euch, ob auf diesen letzten Etappen oder in den Tagen und Wochen danach.
Wenn Ihr mitfahren wollt, schreibt bitte eine kurze Mail an Hubert Hagel oder Dennis Maile (mit Angabe der Streckenabschnitte und eventueller Teilnahme am Frühstück am Flughafen):
Hubert Hagel, hagel.gms@gmx.de
Dennis Maile, maile.dennis@gms-bc.de
Es ist für uns selbst noch ein abstrakter, unglaublicher Gedanke. Aber er gewinnt in diesen Tagen immer mehr Gestalt: Wir kommen bald wieder zurück nach Hause! Nach zwei Jahren Weltreise auf dem Fahrrad rückt der Tag näher, an dem wir mit unseren Rädern, auf denen wir über 700 Tage lang zu Hause waren, im vertrauten Biberach einrollen. Unsere Vorfreude steigt von Tag zu Tag, Euch alle wiederzusehen. Bei dem Gedanken bekommen wir jetzt schon Gänsehaut.
Auf das Wiedersehen!
Eure Imke und Ralph
Hallo vertraute Gefährten!
Wir haben zum Ende nochmal die alten Gefährten um uns versammelt. Wie wir unterdessen wissen: die Landmasse dieser Welt besteht, abgesehen von einigen kleinen Ausnahmen in Zentraleuropa, aus Wüste. Und genau da, in der Wüste, sind wir wieder. Der letzte Abschnitt unserer Weltreise im Nordwesten Australiens, nördlich von Geraldton, hat uns die vergangenen Tage durch rund 500 Kilometer Busch-Staub-Landschaft geführt, in der es außer drei Tankstellen nichts gibt und in der es im vergangenen Jahr insgesamt 7 mm geregnet hat (vor dem Beginn des momentanen Klimawandels waren es dort mal 100 mm durchschnittlich, was auch nicht viel ist). Über 1500 Kilometer Wüste liegen noch vor uns. Also: Mitnichten ist die wasserlose Passage beendet! Und das ist eigentlich gar nicht schlimm – im Gegenteil. Wir drehen nochmal eine Ehrenrunde mit den Vertrauten – for the good old times.
Jetzt, zum Abschluss, haben wir nochmals alle so anhänglichen Altbekannten um uns versammelt, in familiärer Eintracht. Und wie bei Familientreffen geht das nicht ohne Sentimentalität und nicht ohne Konflikte ab. Sentimental freuen wir uns über das Wiedererkennen und erinnern uns an die trockenen Steppen der Rocky Mountains, die Wüsten Utahs, Arizonas und Kaliforniens, die Sahara südlich des Atlas, den Iran, die Hitze Usbekistans, den Staub Tadschikistans, die Weite Kasachstans, die Taklamakan, die Gobi, die Wüste Thar in Rajasthan und den Himmel über dem tibetischen Hochland. Wir haben sie also wieder, die alten Gefährten: Den Staub, die Hitze, die endlosen, geraden Straßen bis zum Horizont, den Wind, die gelinde gesagt „unaufregende“ Wüstenlandschaft, die Trockenheit, den Wasser- und Schattenmangel, die stechende Sonne und die Wüstentiere (Fliegen, Ameisen, Eidechsen, Schlangen, Skorpione, Spinnen, Dingos und Kängurus – in absteigender Rangfolge der Nervigkeit). Hab ich noch was vergessen? Ja natürlich: Die Anmut der Ödnis, die Weite für die Seele, den endlosen Himmel, die Galaxien am klarsten Sternenzelt, das überwältigende Blau, das stechende Rot, das erhabene Gleißen, die Größe im Geist, die Sehnsucht am Horizont, die Ergriffenheit über die eigene Winzigkeit und die eigene Größe. Und noch immer: die Gänsehaut mit dem Fahrrad um die Welt fahren zu dürfen und jeden Tag neu den Horizont als Ziel vor sich zu sehen.
Fahrradfahren
Ich schiebe das Rad durch den roten Staub zurück auf die Straße. Als wären wir nie dagewesen, liegt hinter uns ein verstecktes Plätzchen im australischen Busch, weit entfernt von jedem zivilisierten Ort. Stolz sind wir immer wieder aufs Neue, dass wir keine Spuren hinterlassen. Wenn der Wind der nächsten Tage unsere Rad- und Fußspuren hier im Staub verwischt haben wird, erinnert nichts daran, dass hier einmal unser Zelt stand und unseren Schlaf unter dem weiten Sternenhimmel bewachte. Gerade erst ist die Sonne langsam orangen über dem östlichen Horizont aufgegangen. Das warm gefärbte Morgenlicht wirft noch lange Schatten, die bald in der Mittagshitze verschwunden sein werden. Jetzt aber ist alles still, so früh gibt es noch keinen Verkehr auf dem schmalen Asphaltstreifen, der sich kerzengerade von Horizont zu Horizont erstreckt. Es ist die einzige geteerte Straße hier im riesigen menschenleeren Nordwesten Australiens, der Northwestern Costal Highway Nummer 1. Wir suchen die Reifen noch kurz nach Dornen ab, setzen die Helme auf und ziehen die Fliegennetze über unsere Köpfe. Dies alles ist uns unterdessen so zur täglichen wortlosen Routine geworden, dass wir es schon unbewusst parallel machen, wie Synchronschwimmer in der weiten Sphäre der klaren Wüstenluft. Unsere morgendliche Portion Sonnencreme haben wir schon am Zeltplatz auf die Haut geklatscht. Die Pferde sind aufgepackt, nichts bleibt zurück und wir schwingen uns in den Sattel.
Meine Beine treten mit Macht in die Pedale und bringen das schwere Rad in Fahrt. Meine Muskeln haben die Strapazen des Vortages vergessen und erinnern sich nur an die meditative runde Routine: Voran zum Horizont! Auf hinaus in die Welt! Rad und Körper schmiegen sich in eine gemeinsame Bewegung und das Summen der rollenden Reifen ist die Filmmusik zur Welt, die sich um mich her entfaltet. Die Bewegung meiner Beine beobachte ich manchmal selbst mit Wundern. Es ist nicht Sport, nicht Mühsal, die ich hier betreibe. Unterdessen ist es oft eine sagenhafte Befriedigung, mich selbst im Ausüben meiner eigenen Wirkmächtigkeit zu erleben. Bringt die Kraft auf die Straße, fliegt zum Horizont, durchstrebt die Wüste, ihr Kräfte, die in mir wohnen! Besonders hier, wo die Landschaft die pure Kargheit ist und die Straße eine flüchtende Linie zum Horizont, die sich zwischen den Augen hinter meiner Stirn am Ende in einem Punkt vereinigt. Dort aus diesem einen Punkt im Geist entsteht alle Macht, die uns jede Wüste durchqueren lässt. Ein Mantra, eine Meditation, eine Erleuchtungserfahrung als Bewegung, das ist Fahrradfahren. Oder wie es Emil Zátopek, der legendäre Langstreckenläufer einmal sagte: „Der Vogel fliegt, der Fisch schwimmt, der Mensch läuft.“ Aber nur wenn er halt grad kein Fahrrad hat – füge ich für mich hinzu.
Wie wirre Metallspäne auf einer Werkbank unter dem Einfluss eines starken Magneten richten sich meine Gedanken in klare Linien und Figuren purer Konzentration aus. Die Beine drehen rund die Pedale und der Fahrtwind bläst mir ins Gesicht. Die helle Kargheit der Wüst räumt mich innerlich auf und die Kraft erschließt neue Welten, in den Muskeln und im Kopf. Ich fühle mich großartig und winzig zugleich in dieser Weite und möchte in diesem Augenblick nirgends sonst sein als im Sattel. Die Bewegung ist ein Fließen der Freude und inneren Erfüllung. Ein Surfen auf einer sich selbst nährenden Welle. Bald sind es 1300 Stunden, die wir auf dieser Reise im Sattel verbracht haben. Ist das die Übung in Demut und Meditation, die dann schließlich zur Erleuchtung in Bewegung führt? Zu dieser fließenden Einheit von meinem Fahrrad und mir? Zum Tanz mit der Straße?
Im Outback
Wir wussten, worauf wir uns einlassen. Alle Australier, mit denen wir über unsere geplante Route von Perth nach Norden in den Karijini Nationalpark sprachen, warnten uns. Stets hörten wir besorgte Hinweise wie: „Es ist ein langer Weg, den ihr da vorhabt. Da draußen gibt es nichts, wirklich NICHTS.“ „Wollt ihr das wirklich mit dem Fahrrad machen? Die Distanzen sind riesig!“ Es ist zwar eine schöne Vorstellung, eine unendliche rotfelsige Weite vor sich liegen zu haben, in der man endlos Radfahren kann. In der Praxis stellt sich das aber mal wieder etwas schwieriger dar. An den wenigen Straßenschildern, an denen wir vorbeifahren, lässt sich erkennen, dass die Größe Australiens nicht für Fahrradfahrer gemacht ist. Hier werden selbst Autofahrer gewarnt, dass es zum Beispiel „nördlich von Geraldton“ kein Wasser gebe, oder dass es mehr als 200 km bis zur nächsten Tankstelle sind.
Wir verbringen in Perth wieder einmal einen gesamten Tag mit genauer Recherche über die Versorgungspunkten der Strecke, die vor uns liegt. Das Ergebnis ist ein handgeschriebener Zettel, auf dem in einer langen Reihe Kilometerangaben und Informationen darüber stehen, was dort zu finden ist. Das sieht dann etwa so aus: „km 1350: Exmouth, Laden, Camping, Tankstelle; km 1450: Bullara Station: Wasser; km 1646: Nanutarra Roadhouse, Wasser.“
Die Fixpunkte, an denen entlang wir uns durch das Outback hangeln, bestehen aus drei Kategorien: zum einen Tankstellen („Servos“), dann die sogenannten „Stations“ (Farmen, auf deren Grund man auch campen kann und wo man Wasser bekommt) oder Roadhouses, eine kombinierte Tankstelle mit kleinem Restaurant und Laden. Diese Roadhouses sind unter den Australiern verschrien wegen der unverschämten Preise und der Unfreundlichkeit ihres Personals: shitholes, Scheißlöcher werden sie genannt. Für uns sind die Roadhouses jedoch schattige Oasen, Zielpunkte eines meist mehrtägigen Streckenabschnitts durch das heiße rote Wüsten-Nichts mit über 100 km langen Tagesetappen.
Oft hörten wir, dass man in den Roadhouses ja etwas kaufen könne. Ja, das kann man. Aber was? Motoröl, Snickers, Chips, Fanta, Cola, Malzbier. Aber nichts, was Fahrradfahrer als vernünftigen langfristig nährenden Treibstoff verwerten könnten. Die 1,5 Literflasche Wasser kostet 5 Dollar. Unser Tagesbedarf an Wasser kostet hier einfach mal kurz 50 Dollar. Zum Glück gelingt es mir immer wieder mit Charme und Offenheit, die Herzen der mies gelaunten und schlecht bezahlten Menschen hinter der Theke zu erweichen, und uns Sonderkonditionen zu erhandeln.
Größere oder auch kleinere Orte gibt es schon lange nicht mehr. Wir müssen Essen für Distanzen von 500 und 600 Kilometern mitnehmen. Wir nehmen auf diese Distanzen zur Sicherheit Essen für acht oder neun Tage mit.
Aber das eigentliche zusätzliche Gewicht ist natürlich das lebensnotwendige Wasser. Zwischen den verschiedenen Punkten, an denen wir Wasser bekommen, liegen oft zwei oder drei Tage. In dieser Hitze brauchen wir zusammen zwölf Liter Wasser pro Tag zum Trinken und Kochen (nicht zum Waschen). Da könnt Ihr Euch schnell ausrechnen, wie weh diese Extrakilos tun. Ich frage mich oft, wie Ralph sein Rad überhaupt noch vorwärts bewegt, wenn ich den riesigen vollen Wassersack auf seinem Gepäckträger vor mir hin- und herschwanken sehe.
Obwohl wir stets versuchen, nicht auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein, ist es uns manchmal schlicht nicht möglich, die gesamte Menge Wasser selbst zu tragen. Bisher haben wir aber erst einmal um Hilfe gebeten. Der freundliche junge Jeepfahrer hat dann einen Wassersack für uns mit dem Auto mitgenommen viele Kilometer weiter unter einem Busch für uns deponiert. Was für eine Freude und Erleichterung, wenn wir dies kostbare Gut, von unserem Freund sorgsam versteckt, unter Staub und trockenen Ästen hervorziehen!
Auf dem langen Weg von Geraldton nach Carnarvon standen einst acht große Regenwassertanks in regelmäßigen Abständen an der Straße, gebaut in den 30er Jahren, um Reisende vor dem Verdursten zu retten. Heute gibt es davon noch einen, den sogenannten 200 Mile Tank, mitten im Nirgendwo. Als wir ihn erreichen, drehen wir mit Herzklopfen den ersten Wasserhahn auf – der erste Zwillingstank ist leer. Wie froh sind wir, als aus dem Wasserhahn am zweiten Tank Wasser kommt! Auch wenn wir es filtern müssen, sind wir an diesem heißen Mittag dankbar, dass an dieser einen Stelle die Tanks bis heute stehen.
Wir sind geschulte, verantwortungsvolle Planer. Wir sind hart im Nehmen. Wir sind geübt darin, uns zu quälen und zu disziplinieren. Aber wir müssen hinnehmen, dass uns die lebensfeindliche Natur Australiens in die Schranken weist. Und wir merken zusätzlich, dass wir jetzt am Ende unserer Reise auch nicht mehr so selbstverständlich bereit sind, das Extremste auf uns zu nehmen. Einige von Euch schrieben uns scherzhaft, dass im Vergleich zu dem, was wir bisher so erlebt haben, die Zeit in Australien ja ein richtiger Urlaub sei. Das stimmt (leider) nicht. Im Gegenteil, die altbekannten Herausforderungen sind so groß wie immer.
Es ist schade, doch wir müssen akzeptieren, dass wir an viele schöne Strände und Campingplätze mit dem Rad nicht kommen, weil es kein Wasser dort gibt oder weil die Straße zu sandig ist. Das riesige, wüstenhafte Outback, in dessen Mitte wir als kleine Pünktchen vor unserem Zelt im roten Staub sitzen, beschränkt unsere Möglichkeiten. Auch die Straßen tun dies. Denn es gibt hier oben im Norden nur noch eine einzige. Weiter oben Richtung Port Hedland wird diese von über 50 Meter langen sogenannten „Roadtrains“ befahren. Das sind Sattelschlepper mit drei oder vier langen Anhängern, die vor allem Eisenerz von den Minen im Inland zum Verschiffungshafen transportieren. Schon jetzt war der einzige schmale Highway ohne Seitenstreifen in langen Teilen mit seinem vielen Verkehr sehr gefährlich, so dass das Radfahren keinen Spaß mehr machte. Wir haben noch keine Lösung, wie es hinter dem Karijini Nationalpark weitergehen soll. Im Moment sehen wir dort keine sinnvolle Route mit dem Rad. Diese traurige Einsicht gehört leider auch zu den Realitäten einer Weltumrundung mit dem Fahrrad: Wo es nicht politisch unmöglich ist, sich mit dem Rad zu bewegen, da verunmöglichen es einem der irrsinnige Autoverkehr.
Das klingt jetzt vielleicht, als seien wir entmutigt. Das ist nicht der Fall. Noch immer macht uns das Radfahren großen Spaß. Eine Tatsache, über die wir uns nach nun fast zwei Jahren manchmal selbst wundern. Aber vielleicht liegt es an den extremen klimatischen und landschaftlichen Bedingungen Australiens, dass uns in diesen Tagen besonders vor Augen steht, wie nah die krassesten Widersprüche einander sind bei einer Weltumrundung mit dem Fahrrad. Die Gegensätze, die uns immer begleiten, spiegeln sich auch in diesem Bericht wider. Uns fällt auf, dass wir diesmal nicht über die politischen und kulturellen Besonderheiten des Landes schreiben. Wir sind stattdessen zurückgeworfen auf das ganz Elementare unserer Reise: Das Schöne am Radfahren und die Härte, sich gegen die Wüste zu behaupten.
Wir haben uns schon an so viel gewöhnt. Die endlose Straße, die schnurgerade in den Horizont führt. Ich lächle und denke: Das muss man psychisch erst mal verkraften! Die steppenartige Landschaft, in der sich das Auge an nichts festhalten kann und der Geist durch nichts angeregt wird außer durch die eigenen Gedanken. Der Wind, der mal gnädig von hinten kommen kann, und gegen den wir ebenso oft mühsam ankämpfen. Die Sonne, die erbarmungslos brennt. Während der letzten 500 km sind die trockenen Bäume mit jedem von uns zurückgelegtem Kilometer einen Zentimeter kleiner geworden. Zu Anfang waren sie noch mannshoch, dann schrumpften sie zu hüfthohen Büschen und sind nun nur noch Gräser. Das bedeutet für uns auch: Es gibt keinen Schatten. In der Hitze auf dem Rad zu sitzen und sich klarzumachen, dass ich, wenn ich mich erschöpft fühle, keine Möglichkeit habe, mich irgendwo in den Schatten zu setzen, hat etwas Beängstigendes. Wir sind der Sonne ausgeliefert. Wir stehen vor der Morgendämmerung auf, um möglichst viele Kilometer vor 11 Uhr zu machen. Danach wird es unangenehm.
Doch auch nachmittags können wir nicht einfach Schluss machen und an einem schönen Platz im Busch unser Zelt aufstellen und ausruhen. Wenn wir zu früh aufhören, ist es schlicht noch zu heiß, um im Staub zu sitzen. Das bedeutet, wir fahren bis vier, halb fünf Uhr. Dann aber müssen wir uns mit dem Einrichten des Zeltplatzes und Kochen beeilen, denn um halb sieben ist es dunkel, und im Outback möchtest Du so wenig wie möglich im Dunkeln auf dem Boden sitzen. Die Fliegen stehen vor uns auf und gehen nach uns ins Bett. Nach der Dämmerung kommen noch die Mücken hinzu, auch wenn ich immer wieder hoffe, für die müsse es doch nun endgültig zu trocken sein. Wir sitzen einander mit dem Fliegennetz über dem Kopf auf der Picknickdecke gegenüber und müssen selbst darüber lachen, wie wir versuchen, unsere Löffel mit den Nudeln unter das Netz zum Mund zu führen, ohne dass Fliegen sich vorher darauf gestürzt haben. Die Wildnis ist nicht romantisch.
Und doch ist auch das Gegenteil wahr. Die Wildnis ist romantisch. Wenn es dunkel wird, die Wärme des Tages weicht und der kühle Wind über die Picknickdecke weht, sitzen wir da, irgendwo mitten im Busch, umgeben von roter Erde und knorrigen, windgebeugten Stämmen. Die Grillen zirpen, irgendwo schreit merkwürdig und fremd ein Vogel, wir spüren auf der Erde die Erschütterung eines Kängurus, das vorbeihüpft. Sonst ist es still. Der Mond geht als orangeleuchtender großer Ball auf und wirft sein Licht auf unsere Räder, die neben dem Zelt stehen. Mit diesen Rädern sind wir hierhergefahren. Von Zuhause aus. Noch immer kann ich diese Tatsache weder mit dem Kopf noch mit meinem Herzen erfassen. Die klare Milchstraße wölbt sich in einem glitzernden Bogen über uns. Darunter wir zwei, Giganten und Staubkörner zugleich. Meine Seele weitet sich in die Unendlichkeit des Dunkels hinein und kann die Größe der Dankbarkeit und des Glücks, die mich erfüllen, doch nicht fassen.