Seele sandgestrahlt

Dieu a crée des pays avec beaucoup d’eau afin que les hommes puissent y vivre et les déserts afin qu’ils reconaissent leur âme.

Gott hat die Länder mit viel Wasser geschaffen, auf dass die Menschen dort leben können und die Wüsten, auf dass sie ihre Seele kennenlernen.

                                                                                  Sprichwort der algerischen Touareg

Aktuell: Wir müssen unseren Eindruck korrigieren. Die iranische Jugend ist nicht ohne Hoffnung! Hier in Mashad hoffen viele junge Menschen auf die Wahlen und unterstützen den reformbereiten Kandidaten Rouhani. Auf der aktuellen Position haben wir mehr Bilder.

 

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Wer plant die Wüste zu durchqueren, der bereitet sich darauf vor einem Feind gegenüberzutreten. Wer sich zu Fuß, auf dem Kamel oder mit dem Fahrrad in die Wüste begibt, der muss sich darüber im Klaren sein, dass dieser Feind mächtiger sein wird als man selbst. Ein Durchkommen kann es nur geben dank guter Vorbereitung und günstiger Bedingungen. Fehlt das eine oder das andere und kommt es zur direkten, härtesten Konfrontation mit diesem übermächtigen Gegner wird man unbedingt scheitern. Dann kann einen nur noch die Möglichkeit des Rückzugs retten. Ein vernünftiges Maß an Angst vor diesem Gegner ist daher ein guter Begleiter. Im Ernstfall ist die Wüste kein romantischer Ort.

Wir bereiteten uns in Isfahan auf die Wüste vor. Denn östlich von hier erstreckt sich die zentraliranische Wüste, im Norden die Dasht-e Kavir und im Süden die Dasht-e Lut. Wenige Radfahrer, die die Seidenstraße fahren, begeben sich durch diese Wüsten. Die meisten bleiben im Norden und fahren die Hauptverkehrsstraße über Teheran. Wir aber wollen abseits der verkehrsreichen Überlandstraßen fahren und unser nächstes Ziel heißt Mashad, wo wir Marianne und ihre Familie treffen wollen. Zwischen Isfahan und Mashad liegen 1200 Kilometer Wüste.

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Wir haben unterdessen eine Routine erlangt in der Vorbereitung solcher Etappen. Zunächst mussten wir erkunden mit welchem Gegner wir es zu tun haben würden. Wir bereiten uns auf die Konfrontation mit der Wüste vor: Wie viele Berge würden uns den Weg verstellen? Wo würde es Wasser und Lebensmittel geben? Wie würden die Temperaturen werden? Welche Windverhältnisse sind vorherrschend? Wie könnten unter diesen Bedingungen unsere Tagesetappen aussehen? Wie viel Wasser und Lebensmittel würden wir jeweils mitnehmen müssen? Wer wird mit uns auf der Straße sein und uns im Ernstfall Hilfe leisten können? Militärische Sperrgebiete in deren Nähe man besser nicht wild campen sollte? Wir schreiben uns die wichtigsten Informationen auf einen kleinen Zettel. Trotz GPS vertrauen wir nicht allein auf die Hightechnik. Wir schauen uns Satellitenaufnahmen an, um unsere Karteninformationen zu überprüfen und stellen prompt fest, dass es einen Straßenabschnitt in Wirklichkeit gar nicht zu geben scheint. Wir ändern unsere Route dementsprechend. Wir kaufen leichte, unverderbliche Lebensmittel ein (Trockenfrüchte, Nudeln, Haferflocken, Nüsse, Brühwürfel, Kaffee- und Milchpulver, Kekse). Im Zweifelsfall haben wir immer Essen für einen weiteren Tag dabei, den Rückzugstag. Mit Wasser ist es schwieriger: Wir brauchen pro Person pro Tag rund 5-6 Liter. Das bedeutet für jeden weiteren Tag mindestens 10 Kilogramm mehr Gepäck. Das ist, da Ralph meist das ganze Wasser schleppt, so, als würde man sich nochmal ein komplettes Fahrrad auf den Gepäckträger binden. Wir gelangen an die Belastungsgrenze unserer Gepäckträger und Speichen. Je mehr Wasser wir schleppen, desto langsamer werden wir natürlich auch in den Bergen und desto mehr Wasser brauchen wir, um den nächsten Versorgungspunkt zu erreichen. Die Wüstenetappen sind daher auch immer ein Wettrennen gegen die sich aufzehrenden Wasserreserven, die wir mit uns tragen können.

Hier ist der persische Leopard heimisch. Alle zwei Kilometer wird vor ihm gewarnt. Wir waren uns nicht sicher, ob wir mit unseren mikrigen 11 Stundenkilometern schon seinen Jagdreflex auslösen würden...
Hier ist der persische Leopard heimisch. Wir waren uns nicht sicher, ob wir mit unseren mickrigen 11 Stundenkilometern schon seinen Jagdreflex auslösen würden…

Körperlich sind wir durch das Radfahren der vergangenen Monate gestählt. Wenn wir uns morgens in den Sattel setzten, stellt sich nach nur wenigen Minuten eine harmonische äußere und innere Einheit ein und wir fühlen uns wie Menschmaschinen mit unseren Rädern verbunden. So fahren wir oft ohne die Strapazen bewusst wahrzunehmen täglich Stunden und empfinden das Treten nicht als eine Mühe, die man bewältigen muss, sondern als einen natürlichen Zustand des Seins. An manchen Ruhetagen fehlt diese meditative Körperroutine sogar fast schmerzlich und das Weiterfahren ist dann wieder ein vertrautes Heimatgefühl. Imke zitiert mich manchmal mit dem im Kontext recht absurd erscheinenden Satz: „Ach, wenn man mich doch bloß in Ruhe Radfahren lassen würde und mich mit dem ganzen Organisationskram (in diesem Fall Visaangelegenheiten) verschonen würde.“ Wie mir im Nachhinein auffiel, ein doch bemerkenswerter Wunsch, nachdem ich bald zehn Monate fast jeden Tag hauptsächlich Fahrrad gefahren bin.

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Straßenschilder als paradoxe Intervention

„Ich hasse Dein Hinterrad“

Was die Wüste allerdings durch ihre feindlichen Bedingungen mehr herausfordert, sind unsere mentalen Kräfte. Natürlich sind wir gewohnt gegen Wind anzufahren, das ist beim Radfahren eine Standardsituation. Bei der Durchquerung der Kavir-Wüste hatten wir es allerdings acht Tage andauernd mit heftigem Sturm zu tun, der uns immer von Vorne entgegenschlug. Wir hätten ja einfach sagen können, „Gut, dann fahren wir halt weniger Kilometer am Tag.“ Aber wir konnten nicht weniger Kilometer am Tag fahren, denn sonst hätten wir es nicht mehr rechtzeitig zum nächsten Wasserversorgungspunkt geschafft. So bremste uns der Sturm von Vorne und im Nacken saß uns das Wissen, um die sich aufzehrenden Wasserreserven. Um als Team möglichst schnell zu sein, trug ich die Hauptlast der schweren Wassersäcke und fuhr vorne, Imke den ganzen Tag Windschatten gebend. Mit voller Kraft traten wir in die Pedale und machten oft nur lächerliche 10 Kilometer in der Stunde. Pausen konnten wir nicht dann einlegen, wenn wir sie dringend gebraucht hätten, sondern dann, wenn wir einen Platz im Schatten gefunden hatten. Das waren manchmal kleine Kanäle unter der Straße, spärliche verpisste Ruinen oder auch  nur ein Verkehrsschild. In der zentralen Ebene der Kavir, die sich rund 300 Kilometer erstreckt, fielen auch diese Gelegenheiten weg und wir fanden oft gar keinen Schatten mehr.

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Keinen Schatten zu finden in einer ebenen Glutpfanne, die sich bis zum Horizont flimmernd erstreckt, bedrückt. Als eine Art mentaler Isolationshaft könnte man es beschreiben. Der Gegenwind nimmt einen gefangen und hält Dich fest, Vorankommen ist unerträglich langsam, so dass „Landschaft“ nicht mehr vorbeizieht, sondern in ihrer öden Eintönigkeit tagelang neben einem stehen bleibt. Die vor uns liegende Weite wird dadurch beängstigend, dass sie immer vor Augen stehende Drohung des noch zu bewältigenden Stillstands ist. Wir beugen uns auch innerlich unter die Kraft der Wüste, sinnbildlich und wahrhaftig: Immer wieder sehen wir Windhosen sich uns entgegen bewegen, kleine Tornados, die Sand und Staub wie einen Strudel emporreisen und hundert Meter oder mehr in die Höhe drehen. Wie rostrote Säulen bewegen sie sich langsam um uns herum. Manchmal ein Dutzend gleichzeitig, Kilometer entfernt oder auch nur wenige Meter. Dreimal trafen sie uns in der Fahrt: Wir halten an, stellen die Beine breit aus und halten die Bremsen fest gezogen und drücken den Kopf nach unten auf die Lenkertasche. Augen und Mund fest geschlossen. Wenn die Windhose uns dann trifft, packt sie uns an den Schultern und den Satteltaschen, schüttelt uns durch und wirft uns zwei Schaufeln Sand ins Gesicht. Nach wenigen Sekunden ist alles vorbei. Es knirscht zwischen den Zähnen obwohl der Mund fest geschlossen war, wir spucken den Sand aus, schieben zurück auf die Straße und fahren weiter – ohne Kommentar aber innerlich befriedigt. Denn wenigstens ist die drangsalierende Kraft der Wüste hier mal kurz zu greifen gewesen (oder zu schmecken). Als könnte man die abwesenden Beobachter endlich darauf hinweisen: „Seht Ihr wie absurd diese Veranstaltung ist? Habt ihrs gesehen? So bescheuert ist die Wüste!“ „Die Wüste“, mit der wir uns hier stündlich auseinandersetzen ist ja eigentlich nicht greifbar. Wüste ist Abwesenheit, Verneinung, Lebensfeindlichkeit. Also Nichtigkeit. Sie wirkt gerade durch Abwesenheit von Lebensraum vernichtend.

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Nah ist nur die Hitze, das zähe Gelee des Gegenwinds und – für Imke – mein Hinterrad. Dieses Hinterrad Stunde um Stunde fest ins Auge gefasst, beugt sie sich ins Diktat meines Tempos. Während ich mich unter das Diktat des Windes beuge. Immer mit der Hoffnung, der Wind möge drehen oder nachlassen. Immer mit der Enttäuschung, dass er mit uns dreht und auffrischt, wenn wir morgens losfahren. Je eintöniger die äußeren Eindrücke der lahmen Salzkrustenmaulwurfshaufenebene der Kavir, je intensiver das innere Wechselspiel von Hoffnung, Enttäuschung, Rebellion und Ergebenheit. Nach Tagen Kampf bricht es aus Imke heraus. Sie brüllt gegen den Wind: „Ich hasse Dein Hinterrad!“

Das Sprichwort der Touareg ist ebenso wie die Wüste selbst nur in der zivilisierten Distanz zur Wüste romantisch für Ohr und Auge. Die Wüste kann einem ziemlich hart und trocken die abgründige Beschaffenheit des eigenen Inneren lehren und den zivilisatorischen Lack abkratzen: Seele sandgestrahlt.

Reframing Wüste

Wir im Gegenzug revanchieren uns mit kleinen Sticheleien, um die Wüste zu verhöhnen. Heimlich kaufe ich in der Tanke neben den lebenswichtigen Dingen auch Luftballons. Abends am Zeltplatz aufgeblasen, knote ich sie an unsere Fahrradlenker und freue mich über ihre Wirkung bei Imke. Nachts sabotiert ihr Getrommel auf den Fahrrädern im Wind das Bedrohliche des Knattern unseres Zeltes: Uns doch egal, ob morgen wieder Gegenwind ist – das kümmert mich einen Luftballon!

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Ein Erdwall 200 Meter abseits der Straße. Der einzige geschützte Campingplatz auf 150 Kilometern. Wir sind sehr zufrieden damit. Da macht ein Luftballon schon eine ganze Party!

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Mitten in der Gluthitze des Mittags bremst ein großer LKW auf der Gegenfahrbahn. Die Reifen quietschen, ein Notfall? Nein, ein Salatkopf! Der Fahrer winkt uns heran, es ist ihm wichtig. Iranische Begrüßungsunterhaltung: „Salaam, wie geht es? Gut, gut. Und Ihnen? Ebenfalls gut!…“ Dann überreicht er mir unkommentiert einen Salatkopf. Ein Salatkopf in dieser Scheißhitze – schöner als eine Blume! Eine Liebeserklärung aus dem LKW-Fenster. Wir tragen ihn den ganzen Tag mit uns, wohl wissend, dass wir ihn nicht essen dürfen ohne Montezumas Rache zu fürchten. Wir bringen es nicht übers Herz dieses wunderschöne Grün in dieser braunen Einöde wegzuwerfen. Am Abend gibt es Salatsuppe.

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„Ein Salatkopf! Für mich? Wie lieb!“

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Imke wollte durch die Dasht-e Kavir auch weil Sven Hedin auf seinem Weg über die Seidenstraße diese Route genommen hatte. Diese bildungsbeflissenen Lehrer halt! Nach einigen Tagen Gegenwind und Hitze und Einöde bricht es aus ihr heraus: „Sven Hedin hatte hier wenigstens Träger und einen Koch und Kamele!“ Ich weise sie auf mich hin und sage: „Hast Du doch auch alles!“ Später an diesem Tag finden wir dann auch am Straßenrand Sven Hedins Unterhose, den ersten historischen Beleg, dass Hedin mit seiner Forschungsexpedition hier wirklich vorbeikam.

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Mitten in der Wüste ein Konvent von Sven-Hedin-Forschern.

Rubrik „Wahrheiten im Sattel“

Unterhaltungen während der Fahrt machte der starke Wind sehr schwierig. Man musste immer gegen das Brüllen des Sturms anschreien, und das was dann beim anderen ankam war meist eine durch die Nebengeräusche sehr verstümmelte Nachricht. Die Gespräche beschränkten sich daher tagsüber auf das Wesentliche. Dazu gehörte aber jeden Tag die obligatorische Frage: „Und? Wie ist die Laune heute?“ Nachdem am Vortag bei Imke die Stimmung wegen der Langeweile der Landschaft und des ständigen Gegenwindes etwas gedrückt war, lautete heute ihre Antwort: „Alles wieder besser als gestern!“ Verstanden habe ich allerdings: „Alles besser als Durchfall!“ Seitdem haben wir diese große Wahrheit zu unseren Tagesritualen hinzugefügt und so heißt es bei verschiedenen Anlässen oft und gerne: „Besser als Durchfall!“

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Hinter der Moschee von Moalleman

Moalleman ist ein winziges, unbedeutendes Lehmziegeldorf inmitten der Dasht e Kavir. Als wir es erreichen, begrüßen wir es mit einer Mischung aus Stolz, Erleichterung und Vorfreude. Für uns hat Moalleman die Bedeutung, die die Oasen wohl damals für die durchziehenden Karawanen auf der Seidenstraße gehabt haben. Nach drei Tagen Wüstenleere seit der letzten Tankstelle versprechen wir uns von Moalleman Wasser, Schatten, ein Reisgericht, ein wenig Ausruhen…

Moalleman besteht aus nicht viel mehr als einer Handvoll Häusern und einer LKW-Raststätte mit Tankstelle. Wir haben beschlossen, dass wir hier übernachten wollen, obwohl erst früher Nachmittag ist. Das hat den Grund, dass nach Moalleman wieder drei Tage ohne Versorgung bis zum nächsten Ort warten. Da ist es besser, morgens mit einem frischen Wasservorrat zu starten und hier zu schlafen, da wir abends natürlich besonders viel Wasser zum Kochen brauchen. Nach einem Mittagessen gemeinsam mit den Truckern in der Raststätte sind wir auf der Suche nach einem schattigen Plätzchen zum Ausruhen. Wir finden es neben der kleinen Moschee des Ortes. Das ist eine weitere Sache, die mir im Iran sehr gut gefällt: Jeder lässt sich zur Mittagspause neben der Moschee nieder, wo man das Mittagsgebet angenehm mit einem Waschraum zum Erfrischen und einem Picknick im Schatten verbinden kann. Kaum dass wir unsere Picknickdecke ausgebreitet haben, rollt neben uns ein älteres Ehepaar ebenfalls seinen Teppich für ein Mittagsschläfchen aus. Eine friedliche, selbstverständliche Stimmung. So liegen wir im Schatten, verscheuchen die Fliegen und träumen zur Abwechslung mal einfach vor uns hin.

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Als es Abend wird, beschließen wir, einfach gleich hier zu schlafen. Der Platz gefällt uns. Wir parken unsere Räder sichtgeschützt auf der Rückseite der Moschee und haben gerade begonnen unser Zelt aufzuschlagen, als wir ein Moped sich nähern hören. Wir rollen mit den Augen. Ausgerechnet jetzt! Das war ja klar! Gerade als wir uns unbeobachtet für die Nacht einrichten wollen, muss irgendein Typ vorbeikommen…Jetzt habe ich gerade gar keine Lust auf woher-wohin-Gespräche mit der Dorfjugend, denke ich leicht genervt.

Ein Mann, etwas älter als wir, in abgerissener Kleidung, parkt sein Moped ebenfalls hinter der Moschee. Es scheint ihn gar nicht zu verwundern, dass wir hier sind und was wir da tun. Er kommt auf uns zu, wir begrüßen uns. Ich weiß nicht genau, woher es kommt, aber durch das lange ausgesetzte Unterwegssein und unsere vielen Kontakte mit Menschen haben wir beide mittlerweile ein sehr gutes Gespür für Menschen entwickelt. In dem Moment, in dem ich diesen Mann sehe, schäme ich mich für meine vorherigen Gedanken. Ich verspüre sofort eine große Sympathie und ein Vertrauen diesem mir fremden Menschen gegenüber. Er und Ralph stellen sich einander vor, und als Ralph ihm die Hand entgegenstreckt, nimmt er sie in seine beiden Hände und hält sie fast während der gesamten folgenden Unterhaltung fest.

Mit unseren Brocken Farsi verstehen wir, dass er der Mesner der Moschee ist und in einem kleinen Hüttchen neben dem Waschraum wohnt. Wir zeigen ihm unseren Zettel mit der Frage auf Farsi „Darf ich hier mein Zelt aufstellen?“, woraufhin er energisch mit dem Kopf nickt und uns bedeutet: Überhaupt gar kein Problem. Als ob das die selbstverständliche Sache der Welt wäre. Kurz versuche ich mir vorzustellen, wie sich die Geschichte wohl zutragen würde, wenn jemand hinter unserer Kirche ein Zelt aufstellen möchte.

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Ich komme aus meinen Gedanken wieder zurück hinter die Moschee von Moalleman, denn er heißt uns freundlich Willkommen: Habt ihr Hunger? Möchtet ihr einen Tee? Braucht ihr sonst noch etwas? Wir verneinen, danke, wir haben alles, wir sind sehr zufrieden. Auf die höfliche und zurückhaltende Art, die vielen Iranern zu eigen ist, zieht sich der Mesner in seine Hütte zurück. Nicht ohne uns vorher zu bedeuten: Wenn irgendetwas sein sollte, klopft einfach an meine Tür, ich bin hier.

Kurz darauf, wir wollen gerade anfangen zu kochen, kommt er aber doch noch einmal vorbei. Man sieht: Er hat ein Anliegen, etwas beschäftigt ihn. Entschlossen nimmt er Ralph bei der Hand und führt ihn, seine Hand vorsichtig, aber bestimmt weiter festhaltend, in die Moschee hinein und weist auf die Teppiche, mit denen der Gebetsraum ausgelegt ist. Ob wir nicht lieber hier schlafen wollten? Das sei doch viel gemütlicher. Dass wir offensichtlich Fremde sind und einer anderen Religion angehören scheint keine Rolle zu spielen.

Wir schlafen schließlich doch in unserem kleinen Zuhause, dem Zelt. Als wir schon im Schlafsack liegen und es dunkel geworden ist, macht uns der Mesner still und unauffällig das Licht in den Waschräumen und in der leeren Moschee an – vielleicht, falls wir es uns doch noch anders überlegen, vielleicht, damit wir nicht so im Dunkeln liegen.

Ich kuschle mich in mein Kissen, und eine tiefe Freude und Friedlichkeit breitet sich in mir aus.

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